Hilfen bei Verletzungen der anderen Art
Mentales Coaching im Judo heißt auch, über den Mattenrand zu schauen
»Coaching ist im Judo wegen des technischen und des moralischen Prinzips >mit drin<. Nach diesen traditionellen Vorgaben unterstützen Judoka einander, Körper und Geist bestmöglich einzusetzen. Wir überschätzen unseren Sport jedoch, wenn wir deshalb glauben, Judo reiche aus, all unsere persönlichen Gespenster zu vertreiben«, sagt Peter Kensok, Judo-Trainer des SV Sillenbuch und Verbandscoach des Württembergischen Judo-Verbands (WJV). Im Rahmen von Gasttrainings in befreundeten Vereinen stellt er zwei grundsätzliche Positionen zum mentalen Sport-Coaching fest.
»Die andere Position vertreten Athleten, die auch außerhalb des Judo intensiv an ihrer eigenen Persönlichkeit arbeiten«, sagt Peter Kensok. »Sie wissen, dass sich positive wie negative Erfahrungen mit dem Sport auf den Alltag, auf persönliche Beziehungen und die eigene Widerstandsfähigkeit auswirken. Umgekehrt können Überlastungen im Beruf und frühe Lernerfahrungen Folgen für die Leistung bei einem Turnier oder eine Gürtelprüfung haben.«
»Über den Mattenrand geschaut« lautet der Titel des Vortrags im Rahmen der Gasttrainings, zu dem die Judoka des JC Köngen, von Frisch Auf Göppingen und des TSV Freudenstadt den Verbandscoach im November und Dezember 2017 eingeladen haben. Auch im SV Sillenbuch stellte er das Thema Jugendlichen und Erwachsenen in zwei Trainingseinheiten vor.
Peter Kensok beruft sich im Sport-Mental-Coaching bei der Suche nach den Ursachen von Blockaden auf das Bild vom Flügelschlag eines Schmetterlings. Nach einem Modell der Chaosforschung kann diese winzige Bewegung auf der anderen Seite der Erde einen Sturm auslösen. Vergleichbar damit reichen im Judo bereits die Lichtverhältnisse auf einer bestimmten Wettkampffläche oder die Farbe des Wettkampfanzugs aus, dass sie unter ihrer möglichen Leistung im Turnier bleiben.
Es müssen also nicht immer die Prüfer, Kampfrichter, »Angstgegner«, Zuschauer und die Fernsehkameras sein, die einen Athleten irritieren. Übertragen sich unverarbeitete Themen von Trainern jedoch auf deren Athleten, kann das ein Grund für die schwächere Leistung einer ganzen Mannschaft sein – bis hin zum Phänomen des »ewigen zweiten Platzes«.
Methoden des professionellen Leistungs- und systemischen Coachings können hier Veränderungen bewirken, sei es vor Prüfungen, vor Wettkämpfen oder für das einfache Training. »Selbstverständlich kann dieser Effekt sich dann wieder auf den Alltag außerhalb des Dojos auswirken«, sagt Peter Kensok. »Denn ein gutes mentales Coaching wirkt ebenfalls über den Mattenrand hinaus.«
Dass er selbst Judotrainer ist, sei keine zwingende Voraussetzung dafür, dass ein Sport-Mental-Coach Judoka unterstützt. »Er sollte sich jedoch auf sein Gegenüber einlassen können und gemeinsam mit ihm innerhalb seines Weltmodels nach Lösungen suchen«, sagt Peter Kensok. Nach seinen Erfahrungen mit den Gasttrainings in 2017 öffnen sich Judoka mit persönlichen Themen im eigenen, vertrauten Dojo für mentale Themen eher als bei offiziellen Sport-Kongressen und Lehrgängen. 2018 wird es deshalb einmal im Monat weitere Gasttrainings mit dem Thema »Coaching im Judo« geben.